Horst Dohm: Flaschenpost aus der Toskana (33) FAZ 15.10.99

Von der Lust, die Fabrik mit dem Weinberg zu tauschen

An die Möglichkeit, Wein zu produzieren, dachten sie zunächst nicht. Das Anwesen, das sie 1971 gekauft hatten, die Casa Emma, sollte alsLandsitz dienen - als Fluchtpunkt für die Sehnsucht nach Ruhe und Natur. Der neue Eigentümer, Giuseppe Bucalossi, war Fabrikant; erproduzierte Möbel. Und so sollte es auch bleiben. Aber Fiorella Lepri-Bucalcssi, die Ehefrau, hatte Landleben im Blut; sie war auf einem Bauernhof geboren. Die Dinge nahmen ihren Lauf.

Ausgangspunkt war ein winziger Weinberg, der inmitten toskanischer Mischkultur vor sich hin wucherte. Wein wurde nicht mehr produziert, die Rebstöcke waren nur mehr ein Erinnerungsposten. Die Bucalossis begannen zu pflanzen. Zugleich wurden die Gebäude restauriert (unter Wahrung des originären Stils) und die Gär- und Lagerkeller gebaut. 

Nach sechs Jahren, Ende der siebziger Jahre, war die erste Aufbauphase zu Ende. Doch von einem richtigen Weingut konnte noch nicht gesprochen werden. Denn der Wein, den Fiorella und Giuseppe Bucalossi produzierten, wurde nicht gefüllt, sondern als lose Ware an große Kellereien wie Ruffino, Antinon und San Felice verkauft. Zehn Jahre später setzte dann die neue, die entscheidende Phase ein: Die Bucalossis hatten 1988 beschlossen, ihren Wein selbst abzufüllen und unter dem Etikett Casa Emma zu vertreiben. Ein Önologe wurde engagiert - Nicolo d'Afflitto, der noch heute das Weingut berät.

Gegenwärtig sind auf Casa Emma knapp 13 Hektar mit Reben bepflanzt. 10,6 Hek­tar dienen der Produktion des Chianti Classico DOCG, zwei Hektar sind für den Tafelwein (inzwischen als IGT - indicazione Geografica Tipica deklariert) vorgesehen.

Knapp 70000 Flaschen werden jährlich ge­füllt, wovon 55000 Flaschen auf den Chianti Classico entfallen, 8000 auf die Chianti Classico Riserva, 5000 auf den Tafelwein (Merlot) sowie zusätzlich 7000 Flaschen Bianco und Rosso Toscano. Der überwiegende Teil der Produktion wird exportiert - vor allem in die Vereinigten Staaten, nach Deutschland und in die Schweiz. In Italien halten sich die Absatzzahlen in Grenzen.

In der Produktion des Chianti Classico orientieren sich die Bucalossis und ihr Önologe weitgehend an der Überlieferung. Der Most-Wein steht drei Wochen auf der Maische, wobei Nicolo d'Afflitto die Maischezeit eher noch zwei bis drei Tage verlängern würde. Die Rebsorte Sangiovese dominiert; nur ein kleiner Rest entfällt auf Colorino und Malvasia nera. 

Der größte Teil des jungen Weins wird in traditionellen großen Fässern (bis 28 Hektoliter Inhalt) und in Edelstahltanks ausgebaut, nur 3 Prozent in Barriques. Nach einem Jahr werden die einzelnen Partien miteinander vermählt. Die Riserva-Version des Chianti Classico wird ausschließlich aus Sangiovese gekeltert, al­so ohne Zusatz anderer Sorten. Auch hier beträgt die Maischezeit drei Wochen. Ausgebaut wird die Riserva in traditionellen Fässern mit sieben Hektolitern Inhalt. Nach zwei Jahren Reife im Holz wird der Wein gefüllt. Die Riserva ist das Glanzstück der Domäne; der Wein wird bewun­dert und gelobt. Im einflussreichen Weinführer Gambero Rosso, Ausgabe 1999, liest sich das so: ,,Besonders typisch sein Kirsch- und Johannisbeerduft. Sehr elegant das sanfte, feste, keineswegs kantige Tannin, das ihn geschmacklich streckt und besonders geschmeidig erscheinen lässt. Ein kleines Meisterwerk der Familie Bucalossi."

Aber auch der Merlot, Soloio genannt, hat seine Verehrer gefunden. Der Wein wird ein Jahr lang in Barriques ausgebaut und anschließend noch ein Jahr in der Flasche gelagert. Der Wein ist dicht und konzentriert, er bringt den Merlot-Charakter deutlich zum Ausdruck. Ergänzt wird das Angebot durch einen Bianco Toscano und einen Rosso Toscano. Der Weißwein wird zu zwei Dritteln aus der Rebsorte Malvasia, zu knapp einem Drittel aus der Sorte Trebbiano und einem kleinen Rest Chardonnay hergestellt. Der Bianco Toscano, im Edelstahltank ausgebaut, wird als IGT­Wein (früher Tafelwein) deklariert.

Ebenso der Rosso Toscano. Der Wein, der jung ge­trunken werden kann, wird zu 95 Prozent aus der Rebsorte Sangiovese und zu 5 Pro­zent aus Canaiolo gekeltert.

Zehn Jahrgänge haben die Bucalossis inzwischen in die Flasche gebracht. Das ist noch keine Tradition. Und doch kann sich Fiorella Lepri-Bucalossi kaum noch daran erinnern, wie das Leben vor dem Wein gewesen ist. Aber sie weiß, dass der Entschluss, Weinbauer zu werden, zwingend war. ,,Die Leidenschaft zur Scholle war grö­ßer als das leben als Möbelfabrikantin."

Azienda Agricola Casa Emma, San Donato in Poggio;

Besitzer: Familie Bucalossi; Weinbau und Kellerwirtschaft: Fiorella Lepri-Bucalossi, Gluseppe Bucalossi;

Beratender Önologe; Nicolo d'Afflitto